:: Politisches aus Frankfurt (Oder) ::

Stadtleben

Contra desperationem

Januar 2004, starker Regen, kein Schnee. Nässe und Kälte wirken sich bereits auf die Einwohner von Frankfurt aus. So gut wie niemand hat Lust das traute Heim zu verlassen . Depressiv, oder im besseren Falle nostalgisch, bleiben die Frankfurter vor dem Fernseher sitzen oder blättern im Märkischer Sonntag. Nur diejenigen, die hinaus gehen müssen, verlassen für einen Augenblick ihre gemütlichen Wohnstuben. Wie etwa die Halter von Hunden. Leider haben unter diesen Umständen auch die Hunde keine Lust das Haus zu verlassen. An einem der Hochhäuser in der Halben Stadt versucht eines dieser unglücklichen Wesen seinem Herrchen dies klar zu machen, indem er sich an die Haustür drückt und keinen Schritt in die Kälte weicht. Der Besitzer bleibt bei seiner Entscheidung: Er hat auf die häusliche Wärme für dieses blöde Tier verzichtet und das Tier, ob es will oder nicht, muss ausgehen und zwar jetzt. Der Spaziergang im Platzregen ist ausgemachte Sache. Der Hund reagiert nicht. Der Besitzer wird wütend und fängt an, das Tier mit einem Regenschirm zu traktieren. Natürlich mit seinem Regenschirm, weil für den Hund kein Schutz vorgesehen war. Der Hund bellt nicht, schaut nur flehend in die Augen seines Besitzers. Zufälligerweise sieht die Szene ein Spaziergänger und versucht einzugreifen: “Was machen Sie denn da!?” “Halt die Klappe!” – ist die Reaktion. Kurz und bündig, ablehnend wie das Wetter. Der Fußgänger bleibt stehen, nach einem Augenblick kommt von seiner Seite noch ein trostloser Versuch, die menschliche Vernunft anzusprechen: “Möchten Sie auch so geschlagen werden?”. Diesmal keine Antwort. Der aggressive Tierfreund steht zwei Schritte von seinem Liebling entfernt und versucht weiter, ihn zu überreden: “Komm, na komm!” Diesmal verwendet er keinen Regenschirm. Der Fußgänger verliert die Hoffnung und geht weiter. Enttäuscht, aufgebracht über sich selbst. Aber was hätte er tun sollen? Mit Gewalt gegen Gewalt ankämpfen? Auge um Auge, Regenschirm um Regenschirm? Er hatte übrigens keinen dabei. Er ist enttäuscht. Von der Dummheit der Menschen, ihrer aggressive Natur. Doch dann beginnt er zu überlegen, ob er vielleicht etwas überempfindlich sei. Der Besitzer hätte wahrscheinlich später das Hündchen in die Arme genommen, es vorsichtig aufs Gras gesetzt, abgewartet und dann auf dieselbe Weise wieder nach Hause genommen. Und jetzt wird er seine Wut auf den Spaziergänger am Tier abreagieren. Aber ist es normal, dass ein starker Mann ein kleines Tier prügelt?

Ist es normal, dass ein Mann eine Stunde lang auf dem Boden liegt und keiner hilft ihm, weil alle denken, er sei betrunken? Ist es normal, dass ein Kind von seiner 17-jährigen Mutter angeschrien und geschlagen wird, nur weil sie einen Streit mit ihrem Freund hatte? Hat sich etwa der Frost statt auf den Straßen im menschlichen Herzen niedergelassen? Ich protestiere dagegen. Ich lehne die Hoffnungslosigkeit ab.