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Stadtleben

Das Wunder der Kleist-Festtage – Überlegungen zu einer werdenden Innenstadt

Die Kleist-Festtage sind vorbei — schade, eigentlich. Nicht nur, weil es einige der wenigen Tage im Jahr sind, an denen man in Frankfurt kulturelles Leben spüren kann. Nicht nur, weil sich Frankfurt so weltoffen und freundlich präsentiert, dass man sich vor Verwunderung die Augen reibt. An den zwei Tagen des vergangenen Wochenendes habe ich sogar viele Menschen mit Photoapparaten gesehen (doch nicht etwa Touristen oder Einheimische, die zum ersten Mal den Reiz der eigenen Stadt entdeckten?), die bewundernd durch die Frankfurter Innenstadt spazierten. Auch wenn das alles zusammen genommen schon das Wunder der Kleist-Festtage ausmachen könnte, gibt es noch etwas, was mir reichlich Freude bereitet hat: mir, und vielen anderen Menschen auch, hat es Spaß gemacht, am Wochenende in der Frankfurter Innenstadt zu sein. Ist das normal? Nein, normal ist das nicht. Das Zentrum ist meist leer, erst recht am Wochenende. Abends sitzen zwischen Brunnenplatz und Lenné-Passagen lediglich einige Jugendliche herum, die sich dem Alkohol-Konsum hingeben. Ansonsten wird hier gearbeitet und eingekauft, aber nicht gelebt. Kein Wunder, schließlich lädt die Innenstadt nicht gerade zum Verweilen ein. Nicht nur die gnadenlose Architektur, mit dem großen leeren Brunnen(park)platz, der bedrückenden Aufmarschstraße, und der grauen Fußgängerzone, in der alle Geschäfte Pleite gehen, verhindert das. Auch ganz praktische Gründe machen mir zu schaffen. Denn die derzeit einzigen Bänke im Zentrum befinden sich gleich parallel zur Karl-Marx-Straße und am Rande des riesigen Parkplatzes auf dem Brunnenplatz. Wer will da schon sitzen? Die wenigen nennenswerten Ausnahmen, das Brunnencafe und das Zucca, machen es auch nicht viel besser, besonders wenn man einfach nur rumsitzen will, ohne zu bezahlen.

Ja, es ändert sich viel. Der fröhlich-bunte Brunnen, der neue Rathausvorplatz (und ich nehme an, dass er schön sein wird), sind schon Fortschritte. Vielleicht denkt man daran, das Leben wieder ins Zentrum zu verlagern, vielleicht wird der Markt wieder zu einem Treffpunkt (heutzutage ist das “eigentliche” Zentrum versteckt hinter Exbau und Ufa-Palast nicht zu sehen). Vielleicht werden bald die drei Parallelstraßen menschen- und nicht verkehrsfreundlich sein. Ich wünschte es mir sehr, ich drücke die Daumen, ich glaube an die Uni, die wieder Leben in die Stadt gebracht hat, und es tun wird. Ich glaube, dass Menschen aus Słubice dazu beitragen werden, denn in der Natur des Stadtmenschen liegt das Verlangen, ein Zentrum zu haben, und ein solches kann man in Słubice kaum ausmachen. Architektur kann viel Schaden anrichten, aber man kann sie nicht übergehen: eine Stadt braucht ein Zentrum.

An jenen zwei Tagen, an denen der Verkehr aus dem Zentrum verbannt wurde, als paradiesische Zustände herrschten, als (zumeist) die Sonne schien, und die Menschen ein wenig mehr lächelten, hatte ich Spaß daran, in der Innenstadt zu sein. Ich wollte nicht bloß raus nach dem Einkauf, verfolgt vom Lärm und vom Verkehr. Nein, ich wollte noch ein bisschen bleiben, ich fuhr ziellos mit dem Fahrrad um den Brunnenplatz herum. Ich sah, dass Menschen einfach rumsaßen, der Musik lauschten, den Schauspielern zu sahen, und nicht vorbei huschten. Ich sah, wie sich Leute spontan verhielten (meine lieben Deutschen!), dass sie Sachen mitbrachten, um es sich gemütlich zu machen, oder um zu spielen. Manche, ja viele, liefen barfuß über den Rasen, andere lagen einfach in der Sonne. Sie fühlten sich an diesem ganz bestimmten Ort gut, vielleicht zum ersten Mal. Und in mir kam der Wunsch auf, dass es häufiger vorkommt, dass die Menschen lächeln, dass sie ihre Stadt doch ganz sympathisch finden, dass sie denken, dass das ihre Stadt ist. Und ich wünschte mir, dass das Wunder der Kleist-Festtage etwas länger anhält, denn es verbreitet ein gutes Gefühl. Dafür danke ich dir, Heinrich.