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Populisten-Bündnis in Italien gescheitert

Drei Monate nach der Wahl in Italien sind die europakritische Fünf-Sterne-Bewegung und die rechtspopulistische Lega mit ihrer Regierungsbildung überraschend gescheitert. Ihr gemeinsamer Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten, Giuseppe Conte, gab den Regierungsauftrag an Staatspräsident Sergio Mattarella zurück. Eine Neuwahl scheint damit kaum mehr abwendbar. Grund für das Scheitern der Allianz war vor allem der Streit der Bündnispartner mit dem Staatschef über die geplante Ernennung des ausgewiesenen Euro- und Deutschland-Kritikers Paolo Savona zum Finanzminister.

Staatspräsident Mattarella hätte berechtigte Gründe gegen die Entstehung der 5-Sterne-Lega-Regierung gehabt, insbesondere die verfassungsbedenkliche Infragestellung der Steuerprogression und die Errichtung einer Art Sozialstaat als exklusives Privileg für italienische Staatsangehörige nach der Lega-Motto “Italiener zuerst” (kostenlose Kita für italienische Familien, Bürgergeld von 780 Euro als Maßnahme gegen Arbeitslosigkeit und Armut und NUR für Italiener*innen). Laut Umfragen unterstützten 60 Prozent der Befragten den Koalitionsvertrag, der u.a. die partielle Rücknahme der inhumanen Rentenreform von 2011 und eine Mindestrente von 780 Euro vorsah, sowie die Umsetzung der EU-Umweltpolitik und die Rekommunalisierung des Wassers. Wegen der unwahrscheinlichen Mischung von Steuersenkungen, “sozialen” und unsolidarischen, fremdenfeindlichen Inhalten hätte der Vertrag gefährlich werden können.

Mattarella hat ausgerechnet wegen der auch aus linker Sicht berechtigten Kritik an der EU-Währungs- und Fiskalpolitik seine Zustimmung verweigert, angeblich um die Ersparnisse der italienischen Familien vor einem möglichen Euro-Austritt in Schutz zu nehmen. Er hat sich dabei auf die Reaktionen der Märkte und Investoren in seiner gestrigen Erklärung bezogen.

Die aktuelle Krise ist politisch und zugleich taktisch. Lega-Chef Salvini hat sich in der Situation als klügerer Politiker erwiesen. Salvini scheint schon längst auf Neuwahlen gesetzt zu haben, um die Stimmen der Mitte-Rechts-Wählerschaft auf sich zu konzentrieren. Die Steuerungsfähigkeit von Di Maio (5-Sterne-Chef) wurde in Frage gestellt. Der steht jetzt unter Beschuss. Einerseits werfen ihm einige die Bereitschaft, mit der Lega paktiert zu haben, vor. Andererseits werde er für unverantwortlich gehalten, weil er anders als Salvini eine Amtsenthebung des Staatspräsidenten gefordert hat. Im besten Fall scheint Di Maio naiv gewesen zu sein.

Die politische Entscheidung des Staatspräsidenten wird in aller Wahrscheinlichkeit die Lega stärken, und Ressentiments weiter schüren. Die Lega scheint die einzige Gewinnerin der Krise zu sein. Mit seinem Bezug auf die Reaktion der Märkte weise der italienische Staatspräsident indirekt darauf hin, dass die Finanzmärkte und nicht die italienische Wählerschaft über die Zukunft des Landes entscheiden sollen, meint der britische Politologe Jan Zielonka. Dies sei ein Todesurteil für die Demokratie, „ganz egal unter welcher politischen Fahne es ausgesprochen wird“. Nicht nur andere Politiker seien notwendig, sondern eine andere Politik.

Noch ist es nicht abzusehen, was nach einer erneuten, nicht gewählten, “Technokraten-Regierung” passieren wird. Ein ehemaliger Regierungsberater, Carlo Cottarelli, der so genannte „Sparkommissar“ und ehemaliges Mitglied des IWF, hat heute den Auftrag von Mattarella erhalten. Er soll entweder eine parlamentarische Mehrheit für das Haushaltsgesetz bis Herbst finden (Neuwahl Anfang 2019) finden, oder im Fall fehlender Mehrheiten eine geschäftsführende Regierung bis zu Neuwahlen im Herbst führen.