:: Politisches aus Frankfurt (Oder) ::

Reden

Rede für das Bündnis ‘Kein Ort für Nazis’ 20.2.16

Liebe Anwesende,
im Namen des Bündnisses „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“ heiße ich euch herzlich willkommen!

Seit etwa 400 Tagen haben wir es in Frankfurt (Oder) mit einer Anhäufung von Naziaufmärschen zu tun, heute finden wir uns bereits zum siebten mal zusammen, um gegen die Rassist*innen und Neonazis, die sich scheinheilig „Frankfurt (Oder) wehrt sich“ nennen, zu protestieren und wir freuen uns, dass unserem Aufruf viele Menschen gefolgt und heute hier sind.

Menschenverachtende Floskeln und hasserfüllte Stimmungsmache treiben immer wieder Rassist*innen auf die Straße. Ihnen werden wir uns heute entgegenstellen. In Zeiten von brennenden Asylunterkünften, Angriffen auf Migrant*innen und Morddrohungen muss die demokratische Zivilgesellschaft für ihre Werte einstehen und diese auf die Straße tragen.

Rund 1.000 Angriffe auf Wohnunterkünfte deutschlandweit sowie 202 Aufmärsche allein im Land Brandenburg im Jahr 2015 sind sinnbildlich für die Normalisierung von Gewalt gegen Asylsuchende.
Die Nachrichten über Anschläge auf Geflüchtetenunterkünfte und völkisch so bezeichnete „Nicht-Deutsche“-Menschen in der Bundesrepublik überschlagen sich auch im neuen Jahr.

Die öffentliche Stimmung wurde rassistischer und ist vergleichbar mit jener Anfang der ’90ger Jahre, als zahlreiche Menschen auf der Suche nach Schutz in die Bundesrepublik kamen. Schnell wurden für schon vorher bestehende Probleme genau diese Menschen verantwortlich gemacht. Der Hass entlud sich in Mölln, in Rostock-Lichtenhagen. Die Konsequenz bestand nicht darin, die Menschen vor den Übergriffen zu schützen, sondern die Asylgesetze zu verschärfen und die Polizei besser aus- und aufzurüsten. Ähnliches geschieht gerade wieder, denn nahezu täglich brennen geplante Geflüchtetenunterkünfte, kommt es zu Übergriffen auf Geflüchtete und ihre Unterstützer*innen.

Diese Gewalt ist also nicht neu, sie fordert seit Jahren Opfer. Heute wird zeitgleich in Brandenburg an der Havel an zwei Mordopfer rechter Gewalt gedacht. Diese Morde sind nur zwei von über 180 die seit der Vereinigung in der Bundesrepublik verübt wurden. Beide Fälle gleichen sich insofern, als die Opfer von bekennenden und organisierten Neonazis ermordet worden sind. Beide Männer mussten sterben, weil sie „kein Recht, [haben] unter der strahlenden Sonne zu leben“, wie es einer der Mörder während der Gerichtsverhandlung verlauten ließ.

Doch Geflüchtete sind nicht nur mit dieser Form der Feindschaft konfrontiert, auch die Bundesregierung ist nicht untätig und wird im Laufe des Frühjahrs das Asylpaket II verabschieden und weiter das Asylrecht verschärfen. Schon am 3.2.2016 hat das Bundeskabinett das Asylpaket II gebilligt. Grundsätzlich ist dazu zu sagen, dass die umfassenden Asylrechtsänderungen aus dem Oktober 2015 gerade erst in Kraft getreten und noch nicht einmal im Ansatz umgesetzt sind. Erneute Verschärfungen und Änderungen werden vor allem weitere Verunsicherung schaffen und das bereits überlastete System weiter chaotisieren. Eine erneute Änderung – egal welchen Inhalts – ist deshalb zum aktuellen Zeitpunkt nicht geeignet, das Asylsystem zu stabilisieren.
Gleichzeitig sind geplanten Maßnahmen darauf gerichtet, weitere Abschreckungsmechanismen zu schaffen und der Öffentlichkeit vorzugaukeln, die aktuellen Probleme wären durch die Verschärfungen des Asylrechts lösbar. Die Einführung eines beschleunigten Verfahrens stellt zudem einen massiven Eingriff in das individuelle Recht auf Asyl dar. Da sie nicht nur (wie öffentlich diskutiert), Asylsuchende aus so genannten sicheren Herkunftsstaaten, sondern viele weitere Asylsuchende treffen wird, ist davon auszugehen, dass das beschleunigte Verfahren faktisch zu einem Standardverfahren werden wird.

Das Asylpaket II besteht aus zwei Gesetzentwürfen, dem zur Ausweitung so genannter sicherer Herkunftsstaaten und dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren. Ersteres wird voraussichtlich nach Verabschiedung durch den Bundestag in zwei Lesungen im März und April 2016 im Bundesrat behandelt. Das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren soll noch im Februar Bundestag und Bundesrat passieren.

Dadurch, dass die öffentliche Stimmung rassistischer geworden ist, fühlen sich Bundesregierung und Bundestag legitimiert, solche asylverschärfenden Gesetze auf den Weg zu bringen.
Die Herrschenden bedienen ausländerfeindliche Stimmungen, wenn sie sich dialogbereit mit PEGIDA und Co. zeigen, offen Ressentiments durch Rechtspopulismus schüren oder Aufmärsche wie heute als wie es heißt, „asylkritisch“ abtun und deren Teilnehmer*innen als „besorgte Bürger*innen“ verharmlosen. Unter diesen Bedingungen sind Anteilnahmen am Schicksal Betroffener wenig glaubwürdig, die nach brennenden Flüchtlingsunterkünften inzwischen zum erprobten Ritual gehören.

Es ist also an uns, heute und an allen übrigen Tagen im Jahr Solidarität, Antirassismus und Antifaschismus in der Stadt fest zu verankern. Unterstützt weiterhin das lokale Bündnis und seine Akteure! Engagiert euch für und gemeinsam mit Geflüchteten! Es braucht einen langen Atem, doch es ist wichtig, wenn wir gemeinsam in einer Stadt leben wollen, die Menschenfeindlichkeit nicht toleriert. Und so für alle (!) und auf Dauer lebenswert wird!