:: Politisches aus Frankfurt (Oder) ::

Stadtleben

Der zweite Septembersonntag 2010

Vor 65 Jahren, am zweiten Septembersonntag des Jahres 1945, fand der erste gesamtdeutsche Gedenktag für die Opfer – für alle Opfer und Verfolgten – des Naziregimes statt. Überlebende der Konzentrationslager und Haftstätten initiierten diesen Tag bereits wenige Wochen nach ihrer Befreiung. Es herrschte breiter antifaschistischer Konsens. Gewidmet war der Tag den »deutschen Kämpfern und den antifaschistischen Helden ganz Europas«.

Der Gedenktag für die Opfer des Faschismus nahm in den folgenden Jahren, geschuldet dem heiß geführten Kalten Krieg, eine sehr differenziert zu sehende Entwicklung.

In der DDR zum offiziellen Gedenktag erhoben, wurde er in der Bundesrepublik im sich verschärfenden Ost-West-Konflikt zunächst inhaltlich neu ausgerichtet und schließlich zugunsten des Volkstrauertages aufgegeben. Und weil dieser Tag in Westdeutschland weitgehend unbekannt blieb, führte Bundespräsident Herzog 1996 den 27. Januar, den Befreiungstag des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz, als offiziellen »Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus« ein. Da war die Neue Wache in Berlin, bisher Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus und Militarismus, schon drei Jahre umgestaltet und umgewidmet als Bundesehrenmal für Krieg und Gewaltherrschaft – eingeweiht wurde es bezeichnenderweise am Heldengedenktag 1993.

Offiziell wird die Ehrung der Opfer des Faschismus nur noch als Teil des Gedenkens an alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft wahrgenommen. Es heißt, im Tod seien alle gleich, woraus das Recht abgeleitet wird, Täter und Opfer gleichsetzen zu können. So werden die begangenen Verbrechen verharmlost, aus ihrem historischen Kontext gerissen und als Schicksal umschrieben, für das niemand individuelle Schuld trage.

Insbesondere unter der rechtskonservativen Regierung hat sich in rasantem Tempo der Paradigmenwechsel vollzogen, der deutlich werden lässt, dass sich deutsche Gedenkkultur auf jeweils gerade genehme Opfergruppen beschränkt und ohne Benennung von Ursachen auf Vergeben und Vergessen fokussiert wird. Organisierter antifaschistischer Widerstand, noch dazu der von Kommunisten geführte, wird grenzenlosem Antikommunismus geopfert und totgeschwiegen.

Auch deshalb ist es wichtig für die Aufrechten zu wissen:
Die Verfolgten des Naziregimes, die antifaschistischen Widerstandskämpfer legen ihr Vermächtnis in unsere, in die Hände nachfolgender Generationen. Uns vertrauen sie eigene Zeugnisse an und Spuren derer, die nicht überlebt haben – als Erinnerung und Mahnung, wie es im Berliner Aufruf zum heutigen Gedenktag heißt.(1)

Sei es die deutsche Goutierung des verbrecherischen Afghanistankrieges oder die überall spürbare Zunahme der Militarisierung der Gesellschaft; sei es die gesteigerte Aggressivität neofaschistischer Angriffe und die außerordentliche Toleranz der Justiz; sei es eine völlig überhitzte Debatte um die Integration von Ausländern oder sei es die skandalöse öffentliche Behauptung von Vertrieben-Funktionären, Polen hätte bereits im März 1939 mobil gemacht und der deutsche Angriff sei nur der zweite Schritt gewesen – vehement unterstützt von Frau Steinbach (2) – das und vieles mehr erfordert dringend, nicht aufzuhören, für ein friedliches Miteinander von Menschen einzutreten, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, sozialem Status und Religionszugehörigkeit.

In diesem Sinne wollen wir den Tag der Erinnerung und Mahnung hier in Frankfurt (Oder) begehen wie in Berlin und vielen anderen deutschen Städten. Bekennen wir, dass der Schwur des antifaschistischen Widerstands: Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg! täglich unser Tätigwerden verlangt.

via