:: Politisches aus Frankfurt (Oder) ::

Stadtleben

Beton-Einkauftempel, Neuruine, Bunker – passt doch alles perfekt zur Stadt.

Das alte Horten ist weg und das neue konsument ist da. Aber so recht freut sich niemand darüber. Doch warum? Schuld sei das Aussehen: Liebevoll nennen die Frankfurter_innen das Gebäude „Bunker“ oder „Neuruine“ und beweisen damit ihre Kreativität.
Doch mal im Ernst: So kreativ wie die Frankfurter_innen gegenwärtig bezüglich der Gestaltung des konsuments sind, konnten sie noch nie beobachtet werden. Fast täglich werden der Märkischen Oderzeitung Entwürfe zu gesendet und Meinungen artikuliert. Die MOZ selbst kann sich über diese Diskussion nur freuen, bindet sie so nicht nur ihre Leser, sondern profiliert sich noch als Artikulationsorgan des wütenden Mobs, der das Kaufhaus am liebsten wieder „abreißen“ möchte.

Sind wir doch mal ehrlich – Aussehen hin oder her: Das ist sowieso reine Geschmackssache. Und wie wird immer so schön gesagt: Auf das Innere kommt es an – und da hat das konsument eine Menge zu bieten. Bei einem Einkaufsbummel kommt mensch sich vor wie kurz nach Wendezeiten. Plötzlich sind die Regale gefüllt mit Produkten aller Couleur – und das hält die arme kleine ostdeutsche Seele wohl nicht aus. Sangria mit Sprudel plus Orangensaftkonzentrat – wahrlich eine Neuheit an der Oder. Und überhaupt: Neapolitaner für nur 19 Cent und dann auch noch gleich im Doppelpack! Aber anstatt das neue Warenangebot zu begrüßen heißt es immer nur, dass man ja „kein neues Einkaufcenter braucht.“ Das kann für den Einzelnen schon zustimmen, aber Kaufland, Hauptmieter des konsument, sieht das anders und scheint auch Recht zu haben. Totenleere in den Lennè-Passagen und im Oderturm einen Blick weiter. Die Kundschaft kauft jetzt im neuen konsument. Sollte die Kundenzahlen so bleiben, können Odertum und Passagen bald schließen. Marktwirtschaftlich ist das ein Erfolg auf ganzer Linie, aber von Marktwirtschaft möchten diejenigen, die mit dem konsument das „deutsche Kulturgut“ gefährdet sehen, nichts wissen. Das trifft natürlich auch dann zu, wenn es heißt, dass „der Beton-Einkaufstempel […] ein erneuter Beweis [ist], was die politisch Verantwortlichen unter Demokratie verstehen.“ Nationaldemokraten ganz besorgt, wie immer.

Nein, alle als Nationaldemokraten zu bezeichnen, wenn sie das konsument nicht chic finden, wäre ungerecht. Aber wirklich: Eigentlich ist die ganze Diskussion scheißegal. Hauptsache ist, dass das Haus steht und den architektonischen Standards entspricht, damit die Kundschaft nicht irgendwann unter Beton begraben wird. Und bevor sich die Leute Gedanken machen, wie das Haus aussehen soll, lasst es doch erstmal fertig bauen.

Ja, das konsument passt doch ganz gut zu Frankfurt (Oder). Die Menschen haben wieder etwas zu meckern, aber selbst zur Graffitidose wollen sie dann auch nicht greifen. Und mensch kann sich über irgendwas vollkommen Irrelevantes aufregen, statt die wirklich Probleme in der Stadt zusehen: Armut, Rassismus oder Nazis. Die wiederum kaufen sich fröhlich noch Samstagabends billig ihren Alkohol und jagen Andersenkende oder -aussehende durch Kaufland und grölen die ganze Nacht davor herum.
Und das, liebe Frankfurter_innen, ist doch das eigentliche Problem.

(NY)