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Stadtleben

Seefichten – Monotonie im Industriegebiet

Seefichten: Am Rand von Frankfurt Oder, nicht in idyllischem Waldgebiet, wie der Name vermuten ließe, sondern zwischen vereinzelt auftauchenden Industrie-Hallen, steht das örtliche Asylbewerberheim. Das Heim und seine BewohnerInnen interessierte uns. Als Mitglieder von amnesty international hatten wir die Idee, mit Hilfe einiger Asylbewerber einen Themenabend zu planen, der über ihre Situation informiert; als Studentinnen der Viadrina waren wir neugierig auf die „Randthemen“ unserer Gesellschaft.

Im Asylbewerberheim angekommen, werden wir von einem Bewohner begrüßt, der sich besonders für die Belange im Heim engagiert. Wir versammeln uns mit einigen der Asylbewerber, die bereit sind, von sich zu erzählen, im Gemeinschaftsraum. Die Runde überwiegend 20-35jähriger Männer stellt sich vor. Ein großer Teil von ihnen kommt aus afrikanischen Staaten wie Kamerun, Kongo, Benin, Tschad, Kenia, Elfenbeinküste, aber auch aus Pakistan und dem Kosovo hat es Menschen bis nach Frankfurt Oder geführt.

Die Bewohner sind alle bereit, von ihren persönlichen, zum großen Teil sehr negativen Erfahrungen zu berichten. Alle haben es schon erlebt, auf der Straße beschimpft zu werden: „Geh’ zurück wo du herkommst“ und ähnliches; zwei der Männer wurden Opfer massiver Gewalt, einer von ihnen während einer Fahrt mit dem Bus. Weder Fahrgäste noch Busfahrer griffen ein und als schließlich die Polizei ankam, waren potentielle Zeugen schon aus dem Bus ausgestiegen. Aus diesem Grund trauen sich viele Asylbewerber gar nicht mehr alleine, sondern nur noch in einer Gruppe auf die Straße, selbst dann, wenn es nur um das Einkaufen in einem Supermarkt in der Nähe geht.

Besagter Supermarkt ist auch der einzige Ort, wo die Asylbewerber ihre Gutscheine gegen Nahrungsmittel einlösen können. Außerdem bekommen sie zwei Mal im Jahr Gutscheine für Kleidung, beispielsweise von Second-Hand-Läden und pro Monat 40 Euro Taschengeld „zur freien Verfügung“, von denen auch Busfahrten gezahlt werden müssen.

Ihr Leben und den Status als Asylbewerber haben sich die meisten wohl anders vorgestellt. Wohl kaum einer von ihnen wusste vorher, dass sie weder eine Studien- noch eine Arbeitserlaubnis bekommen würden und dass sie ohne festen Wohnsitz weder ein Konto eröffnen, noch einen Handyvertrag, den sie sich aber auch nicht leisten könnten, abschließen können. Sie beklagen, dass sie kaum eine Chance haben, sich hier in Frankfurt zu integrieren, haben kaum Kontakt zu Frankfurtern und sprechen daher auch größtenteils kaum oder schlecht Deutsch. Klar, vom Staat wird dies so auch nicht bezweckt. Schließlich ist es bei den meisten so, dass ein Antrag auf Asyl zunächst abgelehnt wurde und wegen Einspruchs wieder neu verhandelt werden muss. Doch bis das dann geschieht und eine endgültige gerichtliche Entscheidung getroffen wird, können Monate und Jahre vergehen.

Viele der Heimbewohner wohnen bereits seit 8 oder 10 Jahren hier, die meisten wenigstens seit 3 Jahren, obwohl das Heim eigentlich gar nicht dafür gedacht ist, dass man hier so lange verweilt. In den drei Plattenbauten teilen sich meist zwei Leute ein kleines Zimmer, das kaum mehr Platz als für die notwendigsten Möbel bietet. Ein ganzer Flur teilt sich Küche und Waschräume.

In Anbetracht ihres täglichen Lebens unter ärmlichen Umständen, in dem sie oft noch der Gewalt ausgesetzt sind, ist es verständlich, dass viele der Asylbewerber davon überzeugt zu sein scheinen, das deutsche Rechtssystem, die Polizei, die Ausländerbehörde und die Gesellschaft seien gegen sie. Sie erzählen, dass sie Gewalttaten oft nicht anzeigen, weil es nichts bewirke oder ihre Angreifer vor Gericht die Geschichte so verdrehten, als seien sie selbst von dem Asylbewerber angegriffen worden. Auch sind einige der Meinung, die Medien würden dahingehend kontrolliert, dass die schlimmsten Vorfälle von Gewalttaten gegen Ausländer nicht veröffentlicht würden.

Durch unser Gespräch, bei dem wir viel Neues erfuhren, ist uns viel bewusster geworden, wie ein Leben am Rand von Frankfurt Oder, am Rand unserer Gesellschaft aussehen kann. In der Hoffnung auf eine Verminderung der Gewalt und Monotonie…