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Stadtleben

Das Kino Piast schließt Ein Abgesang

Es steht fest: Am Freitag, dem 26. Februar 2005, läuft im Słubicer Kino Piast die letzte Vorstellung vor der Schließung. Im Vorfeld recherchierte die Redaktion nach Verbündeten einer möglichen Rettungsaktion. Auf Frankfurter Seite gab es viel Wohlwollen, in Słubice trauert dem Kino niemand hinterher. Einer der Organisatoren des “Kleinen Grenzverkehrs”, der das Haus zum Festivalort machte, übt sich heute schon einmal in stiller Trauer.

(vog) In einem Artikel des “Frankfurter Volksfreundes” vom 25. Januar 1925 wurde die “glänzende” Eröffnungsvorstellung des “Film-Palastes Friedrichstraße” mit großem Lob und nicht minder großen Worten beschrieben. Heute, da das Haus erst kürzlich seinen runden achtzigsten Geburtstag unbemerkt hat feiern können, ist seine Schließung zu beklagen. Während der Hauptfilm der Eröffnungsgala ­ so der Redakteur des Frankfurter Volksfreundes ­ “einen großen Teil des Publikums zu dauernder Bereitschaft des Taschentuchs zwang”, ist von ähnlichen Trauerbekundungen anlässlich der Schließung des einzigen Słubicer Kinos nicht auszugehen. In den vergangenen Jahren hatte das kleine Kino am Ende der Zigarettenstraße es zu einem bescheidenen Ruhm gebracht. Beinahe zärtlich mokierte man sich des penetranten Geruches der Räumlichkeiten, der jeden Besuch einer Filmvorstellung noch Stunden später verriet ­ durch den markanten Duft, der sich in der Kleidung festgesetzt hatte. Doch mehr als das gewann das Haus einen unverkennbaren Charme durch das geschäftliche Treiben seines Pächters, Herrn Szewczyk, der den laufenden Spielbetrieb durch den Verkauf von frischem, heimischem Gemüse im Eingangsbereich subventionierte. Später noch kam ein Blumenladen dazu, doch auch dadurch konnte das Piast seine schwache Auslastung finanziell nicht ausgleichen. Das Drama des Kino Piast, an dessen Ende nun die Schließung steht, ist geprägt von großen Hoffnungen und einfachen Realitäten. Darum hat sein Ende auch etwas Tragisches. Die großen Hoffnungen des Herrn Szewczyk, die ihren unmittelbaren Ausdruck in seiner begonnen Renovierungsarbeit eben so haben wie in seiner geschäftlichen Umtriebigkeit (deren Ziel stets die endgültige Etablierung des Kinos als rentable Einkommensquelle war), wurden dabei unterstützt von der naiven Begeisterung, mit der studentische Initiativen und Kunstschaffende den Geist des Ortes für ihre Veranstaltungen zu nutzen versuchten. So ist es nicht verwunderlich, dass das Filmhaus an prominenter Stelle in der positiven Berichterstattung über Frankfurts Nachbarstadt erscheint: gerade für Außenstehende stellt der Ort eine seltsam ansprechende Verquickung jener Eigenschaften dar, die man gerne als das “Slubicische” als solches erkennen will: zeitgemäße, trans- bzw. internationale Kulturveranstaltungen liieren sich mit den bescheidenen Hoffnungen eines banalen wilden Kapitalismus und der Ahnung von einer vergangenen Zeit, beeinträchtigt dabei nur von einem noch nicht gänzlich ausgetriebenen (wie sprichwörtlich!) sozialistischen Muff. Die momentane Schließung erfolgt so still und mit solch unabwendbarer Gewissheit wie der Abspann eines Filmes. Herrn Szewczyk will sich nicht äußern. Er hat lediglich einen Aushang ins Programmfenster gesetzt, in dem der Umzug des Gemüseladens in ein Lokal um die Ecke bekannt gegeben wird. Vor wenigen Monaten hat der bisherige Besitzer des Objekts verkauft, an ein paar “junge Haie” aus Gorzow, die ihm als Pächter zuerst eine Mieterhöhung ankündigten und ihm nun zum Ende des Monats gekündigt haben. Was nun geschieht, dazu will Herr Szewczyk eben so wenig sagen wie er gewillt ist, Angaben zu den neuen Besitzern zu machen. Was diesen also als Zukunft des Piast vorschwebt, ist nicht klar, und auch nicht in Erfahrung zu bringen. Ob das achtzigjährige Kino also wie unzählige andere alte Kinos zu einer Supermarkthalle umgebaut, oder ob es eine neue Chance erhält, bleibt abzuwarten. In der Słubicer Stadtverwaltung hat man eben so wenig wie im Kulturhaus SMOK ein Interesse daran, ein charmantes Kino zur zweiten städtischen Kulturadresse zu machen. Trotzdem hätte ein Lichtspielhaus eine Zukunft ­ denn das nächste Kino auf polnischer Seite, von einer kleinen, nur sporadisch geöffneten Baracke in Rzepin abgesehen, liegt im 80 Kilometer entfernten Gorzow. Und mit Vorstellungen in Originalsprache (denn ausländische Produktionen werden nur mit Untertiteln versehen) kann gewiss auch ein junges Frankfurter Publikum verstärkt angesprochen werden. Solange das Schicksal des bereits 1925 als “architektonisches Schmuckstück” bezeichneten, heutigen Kino Piast nicht absehbar ist, bleiben nur zwei Dinge: Hoffnung, und dauernde Bereitschaft des Taschentuchs.