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Stadtleben

Petrowitsch ist dabei Ein Held vom Frankfurter Tor

Das Frankfurter Tor ist seit dem EU-Beitritt Polens nicht mehr, was er einst war: Morgen wird der ehemalige Rückstauplatz als europäischer Ort besichtigt. Ab 12 Uhr werden Gesine Schwan, György Konrád und Karl Schlögel laut über Eurovisionen der anderen Art nachdenken. Ab 15.30 feiert der Truck Stop sein zehn-jähriges Jubliäum, die Redaktion wird auch etwas dazu beitragen und am Abend singt Gunter Gabriel nicht nur für Countryfans. slubice.de & frankfurt.pl hat zuvor mit einem der wahren Helden vom Frankfurter Tor gesprochen. “Der Kratzer auf der Nase? Das waren die Hühner!”, Piotr Petrowitsch blickt schelmisch in die Runde. Vor ihm stehen Hundert Gramm Wodka und eingelegter Hering. Der kräftige Fahrer kommt gern auf den Vorstauplatz am Frankfurter Tor. “Ich werde hier auch nach dem 1. Mai Halt machen, alles ist da: Geschäfte, ein Restaurant, Duschen und WCs. Alle kennen sich und man kann etwas Luft holen, eine Runde quatschen.” Gerade ist er auf dem Weg von Belgien nach Russland, die Schlange vor der Zollkontrolle hat er schon hinter sich. Bevor es weiter in Richtung Moskau geht, wird er auf dem Parkplatz einige Stunden schlafen. “Wie ich zum Truckerfahrer wurde? Hinter einem Zigeunerlager wurde ich gezeugt, 1957 im sowjetischen Lettland. Das war in der Kolchose Vostok. Damals gabs nur solche Kisten “Gaz 51″, als kleiner Junge habe ich mich mal reingesetzt, aber die Beine waren zu kurz. So hat mich mein Großvater auf den Schoß genommen, wir haben eine Runde gedreht und schon war ich der Fahrerei verfallen”. Petrowitschs Augen strahlen, während vom Stauplatz die nächste Reihe von LKW gemächlich auf die Autobahn rollt. Er erzählt von der Stadt, in die er mit den Eltern zog, von der Zeit als Draufgänger, den Diskotheken und der jungen Frau, die ihn nie mehr losließ. Heute lebt sie in Daugavpils und wartet auf ihren Mann, der nur selten nach Hause kommt. “Klar ist es romantisch, wenn Du Landschaften durchquerst, wenn Du durch den Kontinent fährst, aber wir machen das, weil wir keinen anderen Ausweg haben. Die Romantik hat immer ein trauriges Ende. Zu Hause gibt es keine Arbeit, nicht den Funken von Hoffnung.” Petrowitsch hat versucht, sich in Lettland selbstständig zu machen, ist hier- und dorthin gefahren, um Geschäfte zu machen, aber nach der Krise 1998 ist die Wirtschaft gerade für die russisch-sprachige Bevölkerung zusammengebrochen. Seit dem lebt es sich schlechter. Von den 600 Euro, die er als Fahrer im Monat verdient, bleibt nur wenig für das Leben in der Heimat. “Aber keine Sorge, mich kriegt da keiner weg. Die Tochter lebt ja längst in Italien und meinte eines Tages, ich solle zu ihr kommen. Aber was soll ich in Italien?” Petrowitsch hat längst vom Festival “Checkpoint Europa” gehört, das am 14. Mai 2004, am Frankfurter Tor stattfand: “Ich kenne die Details noch nicht, aber der Buschfunk ist schneller als die Polizei erlaubt”. Die Idee, auf dem Stauplatz ein großes Fest mit Countrymusik, Konferenz und Lesung zu veranstalten gefällt ihm: “Endlich hat mal jemand an uns Fahrer gedacht. Aber ob ich da sein werde – das liegt noch in den Sternen”. Vielleicht wird er zwischen Holland und Russland mit Blumen unterwegs sein, vielleicht transportiert er Tiefkühlgemüse aus Belgien nach Lettland. Wenn er nur in der Nähe des Frankfurter Tors sein wird, kommt er vorbei: “Für mich ist Europa ganz klein geworden. Zu Beginn lag Spanien sehr weit weg. Aber heute, fünf Tage hin und fünf wieder zurück. Das ist gar nichts. Ich habe in den vergangenen neun Jahren fast eine Million Kilometer voll gemacht.”