:: Politisches aus Frankfurt (Oder) ::

Stadtleben

Preisknüller um die Ecke Konsumtempel der Monokultur

Lang, lang ist es her, seit die Ödnis um das Studentenquartier (böse Zungen behaupten, es handle sich hierbei gar um ein “Studentenghetto”) herum mit ihren grauen Häusern die Neuankömmlinge aus aller Welt in Depressionen stürzte. Da, wo früher die Vielfalt der Unterhaltungsangebote sich zwischen Studentenclub “Witkacy” und Gemüseladen erstreckte, entstand in den letzten fünf Jahren (denn weiter reicht unser Gedächtnis nicht zurück) ein echtes akademisches Viertel. Die Krönung dieses Wandlungsprozesses im Stadtbild war zweifellos die Schaffung einer neuen Straße unter dem Namen “ul. Akademicka”, an der sich nunmehr das Stadt- und Gemeindeamt von Slubice befindet. Dazwischen kamen immer wieder Neubauten der Studentenwohnheime selbst (das einst als Inbegriff des Luxus geltende “Arcadia”, dann “Sapientia”) und eine geschäftliche Infrastruktur, u.a. ein Friseur-, ein Lebensmittel- und ein Bürobedarfladen, sowie ein Postamt. Das fröhliche Miteinander von grauen Mietshäusern, “hochmodernen” Wohnheimen und Ruinen prägte für längere Zeit das Bild der ul. Pilsudskiego. Bis man eines Tages beschloss, das an der Ecke zur ul. Wojska Polskiego stehende abbruchreife Haus tatsächlich auseinander zu nehmen. Auch diese Maßnahme brachte noch keine wirkliche Revolution – man nahm jetzt einfach eine Abkürzung “durch das Haus” (was der Ferdinandberg kann, kann man hier schon lange!). Erst als sich im Laufe des letzten Jahres die Konturen des Neuen erahnen ließen, wusste der aufmerksame Beobachter: es kommt Großes auf uns zu! Und es kam im Dezember, in Form eines Supermarktes eines französischen Handelskonzerns, unter dem schönen gallischen Namen “Leader Price”. Der große Dichter hatte seine Existenz bereits um Jahrhundert voraus geahnt, als er über dem Eingang zur Hölle den Spruch: Lasciate ogni speranza, voi q’entrate! platzierte. Denn, was vorgibt, ein Konsumtempel für den kauffreudigen Studenten zu sein, ist in Wahrheit eine Gehenna für Markenfetischisten, ein Tal der Finsternis für Gourmets, Halbgourmets und Normalesser: in diesem Markt wird nur Ware einer Marke angeboten, der Marke “Leader Price” . Was auf den ersten Blick erheiternd wirkt (Wasser LP, Mehl LP, Milch LP…), wird bei Matze LP oder Bier LP zu einem Albtraum. Die Preise sind dabei mehr als erschwinglich – sie sind skandalös, ja Besorgnis erregend niedrig. Was den Boleslaw- Normalverbraucher aber nicht zu stören scheint: fluchtartig das Geschäft verlassend, erblickten meine Augen immer neue Gruppen von Kunden, die es betraten. Sind das nun die Anhänger der “No logo”-Mode oder des Billigst-Marktkapitalismus? Die Zukunft wird es zeigen…