:: Politisches aus Frankfurt (Oder) ::

Stadtleben

Es weihnachtet sehr Kleinigkeiten von Wel

Der von Kameras überwachte plac Przyjazni erstahlt in amerikanischem Weihnachtsglanz, an einem Ende wird an einen Irish Pub die authentische Holzfassade gezimmert, am anderen preist ein Konsum Lebensmittel in deutscher Sprache an: “Wenn wir Milchprodukte und Fisch ohne Konservierungsstoffe in den Läden von der LPG Golice kaufen, dann leben wir billig und gesund.” Etwas weiter in der Bar u Zuzanny ist neues Leben eingezogen. Statt “Pirogi prosze” zu keifen, erfreut die Bedienung die Gäste mit einem Lächeln. Der Favorit unter den Slubicer Kneipen ist aber das unweit gelegene ägyptisch-polnische Ramzes, wo bereits seit Tagen in Nikolausmützen bedient wird. In der Zigarettenstraße nichts Neues. Schon wieder ein Durchbruch. Eine Erdgeschosswohnung verschwindet, innerhalb von Tagen wird sie zu zwei geräumigen Geschäften umgebaut: Strahlträger, Ziegelsteine, Regipsplatten, Isolierschaum und Linoleum wurden bereits in den Gründerzeitbau verbracht. Nur noch Putz und etwas Farbe und man sieht nicht mehr, dass hier im Sommer ein schwarzer Kater auf dem Fensterbrett lag. Vor dem Kino erfrieren Tomaten aus heimischen Holland, die Apfelsorten Champion und Golden halten sich hingegen gut. Etwas weiter hat eine Wechselstube auf Schwarz-Weiß-Kopien umgesattelt – mit Studentenrabatt. Die Penner vom Parkplatz sind verschwunden, bei Minusgraden erfriert auch das Geschäft der Scheibenwischer. Am abseits stehenden Grabstein “Integracja” ist die Pisse vom Sommer längst gefroren, der stechende Geruch des Fruchtweines Herkules ist verflogen. Auf dem Plakat von Warschauer Künstlern “Die karren uns alles weg” eine Notiz: “Na und?”. Die Ameisenschmuggler rücken immer weiter auf die Brücke, Deckung finden sie im Nebel. Der bulgarische Musiker tanzt vor Kälte selbst zum Spiel auf dem Akkordeon. Die Grenzschützer haben sich nach Tagen der Annäherung wieder in ihre Kabinen verkrochen. Die Ampeln in Frankfurt schalten so mondän wie eh und je. Nur bei Plus an der Grenze ist noch Betrieb. Weihnachtsmänner, Schokolade, Joghurt und Katzenfutter. Stiegenweise nach Polen. Der türkische Imbiss im Durchgang hat längst aufgegeben. In der Scharrnstraße windige Leere, auf dem Markt gepflegte Tristesse. Essen vom Intermarché, Zigaretten von der Straße der Arbeitereinheit, Weihnachtsgeschenke aus dem Internet – wozu noch die Stadt betreten? Heraustreten, um mit 150 Frankfurtern gegen das Ende eines Traumes zu demonstrieren, der die Stadt schon mit Lethargie erfüllte, bevor er das Augenlicht mit einer Betonhülle zu täuschen suchte. Beobachten, um die mühselige Globalisierung einer geteilten Stadt mit bloßem Auge zu erkennen: Päckchen werden auf beiden Seiten von gelben Autos mit rotem Logo geliefert, die Sendungen ans andere Ufer gehen noch immer über die entlegenen Hauptstädte. Das Auto verlassen, um McDonalds als Ort der Zuflucht aufzusuchen, der Wärme für die Wartenden spendet. Durch den nächtlichen Lennépark eilen, um ein russisches Stück mit zwei Dutzend Zuschauern in einem Theater zu erleben, von dem der einzige Schauspieler auf der Bühne sagt, dass es keines sei. Der Titel des Stücks: Gleichzeitigkeit.