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Stadtleben

Eine Elite-Universität in Frankfurt/Oder?

Mit der Presseinformation 164 vom 20. November 2003 informierte die Europa-Universität Viadrina (EUV) in Frankfurt/Oder die Öffentlichkeit darueber, dass sie gemeinsam mit der Humboldt-Universitaet (HU) zu Berlin die “Humboldt Viadrina School of Governance” gruendet.

Der Grund fuer diese Hochschulgruendung ist “wachsender Reformbedarf in Politik, Behoerden und Drittem Sektor”. Was das bedeutet wird in der Pressemitteilung von der Uni-Praesidentin Gesine Schwan nochmal genauer erklaert: “Der Sozialstaat muss umgebaut, die Verwaltung professionalisiert, der gemeinnuetzige Sektor ausgebaut werden – nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Diese Veraenderungen kommen auch deshalb schwer in Gang, weil Führungskraefte fehlen, die gezielt aufoeffentliche Gestaltungs- und Managementaufgaben vorbereitet wurden.” D.h. die Umgestaltungsprozesse in der €paeischen Gesellschaft, die Rueckfuhr sozialer Sicherungssysteme (“Umbau des Sozialstaates”), der notwendige Auf- und Ausbau repressiver Instanzen (“Professionalisierung der Verwaltung”) und die Rueckkehr zu sozialen Sicherungssystemen, die auf philantropischem Engagement anstatt auf anerkannten und einklagbaren Rechten fussen – und so ein weitaus groesseres Disziplinierungspotential haben (“Ausbau des gemeinnuetzigen Sektors”) – benoetigen besser qualifiziertes Fuehrungspersonal. Dieses moechten EUV und HU gemeinsam bereitstellen.

EUV und HU wollen mit dieser Neugruendung den Wettbewerb mit den Elitehochschulen in USA, Britannien und Frankreich aufnehmen. Die verschaerfte Konkurrenz mit den westlichen EU- und NATO-Partnern verlangt offenbar nach einer Elite, die sich nicht in der Fremde ausbilden laesst, sondern zu Hause und deren Loyalitaet dem heimischen “Standort” gegenueber deshalb sicherer ist.

Vollmundig erklaert man, das die “Humboldt Viadrina School of Governance” nicht nur die Dozenten der beiden Traegeruniversitaeten als Lehrpersonal bereitstellt, nein: Die weltweit besten Experten sollen sich hier versammeln. Und natuerlich will man an der Viadrina einen Denkpanzer (Think Tank) fuer Politikentwicklung und Entscheidungsplanung gruenden, mit dem die “School” eng kooperieren soll. Wahrscheinlich werden sich in diesem intellektuellen Panzer – der Ost€pa erfolgreicher durchdringen soll, als weiland die Panzer der Heeresgruppe Mitte – solch illustre Persoenlichkeiten wiederfinden, wie der EUV-Professor Schloegel, Ex-Maoist, Regierungsberater und Ost€paexperte, dessen Spezialitaet die Einebnung deutscher Schuld durch die Erklaerung des 20. Saeculums zum “Jahrhundert der Vertreibungen” (in dem alle irgendwie Opfer waren) ist.

Die Bedeutung, die die Ausbildung von Eliten fuer die kuenftige Organisation von Einfluss und Macht hat, spiegelt sich auch darin wieder, dass die neue Hochschule nicht nur an Studierende aus Deutschland als Zielgruppe ausgerichtet ist, sondern auch an Studierende aus “der EU und insbesondere auch den neuen Mitgliedsstaaten Mittel- und Ost€pas”, d.h. aus dem Gebiet, in dem die Bundesrepublik Deutschland ihre politische Macht und ihren politischen Einfluss zuallererst etablieren moechte. Der Charakter der EUV als deutscher “Ostuniversitaet”, die sich der Festigung des deutschen Einflusses in den ost€paeischen Nachbarstaaten widmet, verstaerkt sich durch diese Hochschulgruendung.

Die Humboldt Viadrina School of Governance wird als Public Private Partnership gegruendet – als gemeinnuetzige GmbH, an der Viadrina und Humboldt-Universitaet Berlin maßgeblich beteiligt sind. Diese Konstruktion bietet konkurrenzlose Vorteile: Die School kann auf die Ressourcen beider Universitaeten zurückgreifen, hat aber alle Freiheiten einer privaten Hochschule.” Die angepriesenen konkurrenzlosen Vorteile sind zu allererst in der Privatisierung oeffentlicher Gelder zu finden. Die “School” kann also auf die – mit oeffentlichen Geldern finanzierten – Ressourcen beider Universitaeten zugreifen, hat aber alle Freiheiten einer privaten Hochschule: d.h. zuerst die Freiheit von jeglicher demokratischen Kontrolle von Lehre und Forschung und die Freiheit sich die Studierenden selbst auszusuchen. Dass dort, wo laufend von “Fuehrungspersoenlichkeiten” geredet wird Demokratie keine Rolle spielt ist ja eigentlich auch nicht weiter verwunderlich.

Die HU gehoert zu den Zentren der aktuellen studentischen Kaempfe in Deutschland. Die Viadrina ist traditionell eine “brave” Universitaet, an der sich die Studierenden den Vorgaben der Praesidentin weithin fuegen. Derzeit wird viel von einem neuen “68” geschwafelt. Solange Studierende nicht die Institution Universitaet theoretisch und praktisch kritisieren, solange gegen Lehrangebote wie dem geplanten der “Humboldt Viadrina School of Governance” nicht Front gemacht wird, solange Studierende glauben, gemeinsam mit Mlynek (HU-Praesident) fuer eine Sache zu kaempfen zu koennen – solange stellt der aktuelle Studierendenstreik nur einen Verteilungskampf dar, in dem die Studierenden (trotz aller wohlmeinenden anderslautenden Formulierungen) als eine groesstenteils sowieso schon privilegierte soziale Gruppe ihre Stellung im Verwertungsprozess verteidigen bzw. aufwerten wollen, und dem jedes kritisches Potential abgeht.