:: Politisches aus Frankfurt (Oder) ::

Stadtleben

n der unentschiedenen Zeit – Mittelosteuropa an der deutsch-polnischen Grenze

An der Grenzabfertigung steht ein Lada mit weißrussischem Kennzeichen, einen Pritschenanhänger mit polnischem Nummernschild angekuppelt. Der polnische Grenzbeamte lässt sich Zeit, hinter und rechts neben dem Anhänger hat sich schon eine kleine Gruppe von Fahrradfahrern gesammelt, ungeduldig die Räder vor- und zurückschiebend, oder auf den Sätteln balancierend, das Gewicht auf das rechte, dann auf das linke abstützende Bein verlagernd, Hände fahren abwechselnd hoch zum Lenker oder werden wieder fallen gelassen – alles im Einklang mit dem Rhythmus der zunehmenden oder abnehmenden Hoffnung darauf, daß es gleich weitergehe. Die Motoren der stehenden Autos sind inzwischen ausgestellt, die Geräuschkulisse ändert sich kaum – ein undefinierbares Rauschen hält sich stets unter dem Dach der Grenzabfertigung, ab und zu kommt ein Auto aus der Gegenrichtung – oft drei in kurzer Reihenfolge, dann wieder einige Zeit keines -, Rufe, Quietschen, Knarren der Bretter der Behelfsstege. Blicke wandern unruhig, halt suchend über das Geschehen vor dem Abfertigungshäuschen, entdecken Kommilitonen. Smalltalk über den Lenker hinweg, wohin, woher, wann? In der Fußgängerschlange unterhalten sich Frankfurter, laut, der Lada ist Gesprächsstoff, die Studenten, dass die Radfahrer auch mal warten müssen, “is ja richtig jefährlich, wie die manchmal anne autos vorbei…”.

Gebannte Blicke inzwischen auf das Fenster wo die Pässe von unpersönlichen Händen herausgereicht werden – das Signal das sich gleich wieder etwas bewegen wird. Das Zeichen kommt nicht. Der polnische Zollbeamte verlässt sein Häuschen, ohne Hektik, spaziert zum deutschen Kollegen hinüber, drückt ihm die Pässe in die Hand, einer polnisch, zwei weißrussisch, kurzer Wortwechsel, Wink an den Fahrer des weißrussischen Ladas (drehende Bewegung): zurück!

Der deutsche Grenzschützer öffnet die Schranke zum Verkehr der Gegenrichtung, stellt sich an die Leitplanke, wartet. Der weissrussische Lada mit dem polnischen Pritschenanhänger wendet, der Fahrer nimmt die Pässe regungslos, kühl entgegen, nimmt sich Zeit sie an den Beifahrer zu übergeben, nimmt sich Zeit das Fenster hochzukurbeln, nimmt sich Zeit, nachdem entschieden worden ist, anzufahren.