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Stadtleben

50 Jahre später – die einen schweigen, die anderen feiern

Wie feiern zwei große, wichtige Regionalzeitungen die Gründung ihrer direkten Vorgängertitel vor fünfzig Jahren? Während auf der deutschen Seite die Nachfolgezeitung des “Neuen Tag” ein halbes Jahrhundert nach Gründung des Organs der Frankfurter SED-Bezirksleitung lediglich im Wochenend-Journal in den ersten Ausgaben blättern läßt, um festzustellen, dass es sich damals um Zeiten des späten Stalinismus handelte und das Blatt beflissentlich die zentral herausgegebenen Parolen aufgriff und ihnen zu neuem Glanz verhalf, sucht das polnische Pendant derzeit im Kreise seiner Leser öffentlich nach dem ersten Exemplar der 1952 gegründeten “Gazeta Zielonogorska”, die nach der Wende teilprivatisiert als “Gazeta Lubuska” herausgegeben wurde. Während aus dem Verlag der “Märkischen Oderzeitung” keinerlei Einladungen zu Festakten versandt wurden, lüftete die polnische Zeitung kürzlich das vor den Lesern lang gehütete Geheimnis, wie der runde Geburstag gefeiert werden soll. So wird am 31. August eine Jubiläumsausgabe mit Retrocharakter herausgegeben, am 4. und 5. September lädt der Verlag zum Tag der offenen Tür, in der Philharmonie von Zielona Gora werden Konzerte abgehalten, am 7. September wird ein Auto verlost und zum Abschluß singt mit Kaya´h am 7. und 8. September ein Superstar in den Woidwodschaftsstädten, in den die “Gazeta Lubuska” heute herausgegeben wird.

Zwischen diesen zwei Kulturen der Erinnerung verläuft offensichtlich eine scharfe Grenze, die weniger auf nationale, als auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen ist. Während die “Gazeta Lubuska” ihre Strukturen nur wenig veränderte und den Großteil der alten Redakteure behielt, hat die “Märkische Oderzeitung” ihr Gesicht einer radikalen Kur unterzogen, die einen Teil der alten Mitarbeiter integrierte und mit ihnen eine bundesdeutsche Regionalzeitung mit lokalem Charakter auf relativ hohem Niveau schuf. Der große Unterschied liegt derzeit darin, dass die “Märkische Oderzeitung” immer mehr Leser verliert und die “Gazeta Lubuska” aus Marktumfragen der Konkurrenz erfährt, dass sie atemberaubende Marktanteile verzeichnet. Dabei ist die “Gazeta Lubuska” qualitativ der “Märkischen Oderzeitung” um Längen hinterher. Die Situation scheint absurd: ein offensichtlich postkommunistisches Blatt schlechtester Qualität feiert wie in besten Zeiten zusammen mit seinen Lesern rauschende Feste und eine leidlich liberale, um Seriösität und Austausch bemühte, nach bundesdeutschen Rezepten gestrickte Regionalzeitung darbt vor sich hin und bringt nicht einmal die Kraft auf, um sich zusammen mit ihren noch verbliebenen Lesern köstlich über die guten alten Zeiten zu amüsieren oder aber diese ernsthaft zu analysieren. Dabei ist die eine Zeitung in der Hand eines schwedischen Lebensmittelkonzerns und die andere gehört zu einem Süddeutschen Medienunternehmen. Die “Gazeta Lubuska” beweist eins: ein postkommunistischer Geist, veralterte Strukturen und ein schwaches Marketing bringen bei einer 70-prozentigen Abdeckung des Marktes beste Zahlen. Und ihr deutsches Gegenüber beweist etwas anderes: vermeintlich seriöse Berichterstattung, eine hohe Präsenz auf dem Markt und hochbezahlte Marketingkonzepte erzielen bei gleichzeitiger Verleugnung der kommunistischen Vergangenheit schlechte Ergebnisse.