Stellen Sie sich vor, Sie wohnen als Deutscher in Slubice, sprechen kein Wort Polnisch, Sie bezahlen die Gebühren für das örtliche Kabelnetz nicht und eines Tages erscheint vor Ihrer Tür eine unscheinbare Frau mit einigen Formularen. Was tun sie? Sie lassen die Frau nicht in die Wohnung und verstecken den Fernseher im Kleiderschrank. So zumindest handelten kürzlich Studenten, die in der polnischen Kleinstadt eine Drei-Zimmer-Wohnung mieten. Was sie nicht wußten — derzeit wird in Polen eine Volkszählung durchgeführt und in jeder Stadt sind Interwiewer unterwegs, die Haus für Haus, Wohnung für Wohnung alle Bewohner zu Alter, Arbeit, Einkommen, Religion, Herkunft und vielen anderen persönlichen Daten befragt. Die Umfrage erfolgt anonym, aber die Bürger müssen zum Schluß das Formular unterschreiben.
Die Volkszählung hat in Polen nicht so sehr für Aufsehen gesorgt, weil beispielsweise die Angabe von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern nicht möglich ist, sondern weil kurzfristig zehntausende Arbeitsplätze geschaffen wurden. Hunderttausende bewarben sich, die Auserwählten durften sich glücklich schätzen. Doch nun ist Alltag eingekehrt und es hat sich gezeigt, dass die Bezahlung hart verdientes Brot ist. Die Aufnahme der Daten ist müßig, gezahlt wird pro ausgefüllter Fragebogen. So sollte man meinen, dass die wenigen hundert Deutschen, die heute in Slubice leben, eine willkommene Auskunftsquelle für die Volkszähler sind. Doch nur wenige stellen sich der Prozedur. Viele sprechen kein Polnisch, einige leben in Slubice illegal, bei anderen verhindern die Vermieter eine Befragung, vielleicht weil es ihnen unangenehm ist, dass Deutsche in ihrer Wohnung leben, wahrscheinlicher, weil sie die Mieteinnahmen nicht versteuern. So ist zu vermuten, dass als Ergebnis der Volkszählung Slubice erneut eine rein polnische, durch und durch katholische Bevölkerung bescheinigt wird.