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Stadtleben

Der perfekte Grenzübertritt – das Klapprad als Musikinstrument

Kennen Sie den Kurier, der täglich auf einem Klapprad von Frankfurt nach Słlubice und zurück fährt? Der in Anzug und Krawatte gekleidete Mann mit dunklem Haar trägt Tag für Tag wichtige Informationen, Briefsendungen und Ideen über die Grenze: unkontrolliert, unverzollt, illegal. Und doch erregt er kein Aufsehen, fährt seelenruhig an den wartenden Autos vorbei, winkt kurz mit seinem polnischen Personalausweis und fährt lächelnd an den Beamten des Grenzschutzes vorbei. Seit er selbst im Fernsehen bei seiner täglichen Dienstfahrt gezeigt wurde, wird er auch an der Grenze als “Herr Kurier” begrüßt. Und warum ist all dies möglich? Sicherlich: Krzysztof Wojciechowski ist ein gewitzter Mann, er weiß mit dem Risiko umzugehen, kalkuliert genau. Auch sein Arbeitsplatz, das Collegium Polonicum, mag als Einrichtung dazu beitragen, dass der unauffällige, unkontrollierte und zügige Grenzübertritt möglich ist. Aber die eigentlich bahnbrechende Komponente in dieser Konstellation ist das Klappfahrrad.

Wer kennt nicht das Gefühl von Wut und Verzweiflung, wenn sich unversehens an der Grenze eine Schlange gebildet hat. Egal, ob man schnell zum Bahnhof will, zu einer Vorlesung eilt, oder von einer Erledigung zurückkehrt: die Unsicherheit, wie lange man warten muß, ist schwer zu ertragen. Sie macht die Menschen unruhig und aggressiv. Auch interessierte Zeitgenossen, die voller Bewunderung dem Treiben in der Schlange folgen, egal ob Autos oder Fußgänger, werden nervös und beginnen endlich die Paßkontrolle als solche zu verfluchen. Wie entspannt ist hingegen der Grenzübertritt per Fahrrad: man läßt alle Wartenden hinter sich, huscht an den Autos vorbei und schon ist man an der Abfertigung. Das Risiko hinter einem litauischen Kleintransporter zum Stehen zu kommen, und so unter Umständen wertvolle Minuten auf dem Weg zu einer Verabredung zu verlieren, ist relativ gering.

Doch wie gefährlich der Weg vorbei an den Autotüren, wie sperrig jedes Mountainbike oder Damenrad bei der Schlängelfahrt um motorisierte Grenztouristen, die schon seit Viertelstunden im gedrosselten Schrittempo vorangekommen sind! Wie groß die Gefahr, dass das Fahrrad dann in der Stadt verschwindet. All diese Probleme lösen sich wie von selbst, wenn man erst auf das Klapprad umgestiegen ist. Die volkspolnische Variante ist nicht minder häßlich als die ostdeutsche, aber beide sind in der Anschaffung kostengünstig, so sind jene Klappräder in Berlin bereits für 10 Euro zu erwerben. Ist man erst stolzer Besitzer eines solchen Vehikels, möchte man es nicht mehr missen. Um so besser, dass die Diebstahlrate bei den kleinen Vertretern der Gattung Drahtesel deutlich geringer ist als bei ihren ausgewachsenen Artgenossen. Das gemeine Klapprad ist unauffällig, leicht, preiswert und es hat einen kurzen Lenker, mit dem man sich selbst durch die schmalste Autolücke schlängeln kann.

Krzysztof Wojciechowski, der Kurier vom Dienst, hat diese Vorteile schon vor Jahren erkannt und gibt so den Ton an in der Symphonie der leisen Grenzübertritte, in der sich Tausende von Klängen zu einer dichten, kaum zu vernehmenden Melodie vereinen, die bisher Tag ein Tag aus in den brachialen Zündgeräuschen von Diesel- und Ottomotoren unterging.