:: Politisches aus Frankfurt (Oder) ::

Stadtleben

Polnische Muttererde ans „niedrigere“ Ufer gebracht – „Brücke der Freundschaft“ würde 50 Jahre alt werden.

Im September 1951 stand es fest: die Oderbrücke in Frankfurt soll wieder hergestellt werden. So machte sich die eigens einberufene Staatliche Bauleitung Oderstrassenbrücke an die Arbeit, um auf den Pfeilern der 1945 von den deutschen Truppen gesprengten Brücke ein neues Bauwerk zu errichten, das nun nicht mehr die Frankfurter Innenstadt mit der Dammvorstadt sondern die DDR mit der Volksrepublik Polen verbinden sollte. Dieses Unterfangen konnte man nicht einfach der Verwaltung der Oderstadt überlassen, es wurde auf höchster Ebene geplant und entschieden. Walter Ulbricht fällte die Entscheidung höchstpersönlich: diese Brücke hat Priorität vor anderen. Sie sollte in der gegebenen Eile in Ermangelung von anderen technischen Lösungen die Brücke so und nicht anders gebaut werden.

Da aber die Generaldirektion für Schifffahrtswesen nachdrücklich forderte, einen der alten Pfeiler zu überbrücken, um einen reibungslosen Verkehr auf der Oder zu sichern, verband man eilends zwei Stahlträger, um über diesen den Bogen zu errichten, der längst zum Symbol der “Brückenstadt” wurde, damals aber aus einer Notlage rührte, die zur Folge hatte, dass die Fahrbahn am Frankfurter Ufer höher war als vor dem Krieg. Diese drei Meter kann sich jeder eindrucksvoll vor der Treppe am Ende der großen Oderstraße vor Augen führen — diese Straße war hier einst durchgängig. Um den Grenzverkehr durch Frankfurt bzw. zur Brücke zu leiten, wurde eine lange Anrampung und die damit verbundene Teilung der Großen Scharrn- sowie der Oderstraße geplant. Nur so wurde die vormalige Richtstraße zur Magistrale — zwei der wichtigen Verkehrsachsen der Innenstadt waren unterbrochen und die zwei Gründungsinseln der Stadt voneinander getrennt.

Beim Studium im Archiv des Verkehrsministeriums der DDR, das heute im Bundesarchiv lagert, kann man folgende Mitteilung vom 13.12.51 von Walter Ulbricht an seinen Staatssekretär im Verkehrsministerium finden (und beginnt zu verstehen, warum die Brücke später “Brücke der Freundschaft” heissen sollte):

Lieber Genosse Wollweber!

Vom Botschafter Genossen Jan Izodorczyk erhalte ich folgende Mitteilung:
1. Die Abfahrtsrampe am polnischen Ufer wird von der Volksrepubublik Polen ausgeführt. Die Deutsche Demokratische Republik gibt der polnischen Seite den Entwurf der Abfahrtsrampe /falls sie so einen Entwurf besitzt/. 2. (…)
3. Die Volksrepublik Polen erlaubt der Deutschen Demokratischen Repulik die überflüssige Erde vom polnischen Ufer auf das deutsche /niedrigere/ Ufer herüberzunehmen.

Ich bitte Dich davon Kenntnis zu nehmen.

Mit sozialistischem Gruß!

/W. Ulbricht/

Nachdem einige weitere Schwierigkeiten beim Besorgen von Materialien und bei den Arbeiten auf der Brücke — die deutsche Seite musste fürchten, nach Überquerung der Mitte von polnischen Posten abgeführt zu werden, sowie bei der Verpflegung der Bauarbeiter überwunden wurden, konnte die Brücke noch vor dem 1. August 1952 “für den Verkehr geöffnet werden”. Wann genau wird die Nachwelt vielleicht nie erfahren. Die Verantwortlichen waren sich darin einig, die Eröffnung ohne “Austausch von Delegationen” und offizielle Reden zu vollziehen. Presse war nicht erwünscht.

post scriptum: Wie die Gazeta Lubuska am 17.6. auf ihren sogenannten Terrain-Seiten meldete, wurde einige Tage zuvor ein gelber Kran im Wert von 220.000 Zloty von der Brücke gestohlen, sodass die Bauarbeiten für kurze Zeit unterbrochen werden mußten. Die Polizei hatte zwar ein verdächtiges Fahrzeug einige Kilometer hinter Słubice beobachtet, der Diebstahl war zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht gemeldet.